Einmal zerschnippeln bitte

Weg vom Computer, hin zu Papier und Schere.

Von Kaja Fuchs (2023)

Schonmal mit einer Person zu tun gehabt, die zwar Veränderung wollte, aber nicht genau wusste, welche? Ja, ich auch. Und obwohl ich mich als relativ empathische Person sehe, jemandes Wünsche aus deren/dessen Augen abzulesen, liegt leider noch nicht in meinem Kompetenzbereich. «Scissor Thinking» hilft dabei, diese Personen zu befähigen, unterbewusste Pain Points zu ermitteln und auszuformulieren.

Der Plan:
Ein Makeover für eine existierende Portfolio-Website.

Das Problem:
Man wusste, dass ein Re-Design her muss, aber nicht, was genau geändert werden soll und in welche Richtung das neue Produkt gehen sollte.

Die Lösung:
Eine Schere.

Wie schaffen wir es, gemeinsam und auf spielerische Art und Weise aus einer bereits vorhandenen, veralteten Idee, neue Ideen zu erschaffen und dabei jede*n abzuholen?

Ausgangslage

Die Kundin ist Fotografin für Privatkunden und nutzt ihre Website als Online-Portfolio und zur Präsentation  der verschiedenen Angebote. Vor Kurzem hat sie sich bei einer Grafikerin ein neues Logo kreieren lassen und wollte im Anschluss auch ihre Website entsprechend anpassen. Bisher hat sie ihre Website selbst bewirtschaftet und gestaltet, bei den neuesten Änderungswünschen kam sie aber an die Grenzen ihrer Kreativität.

Vorgehen & Methodenanwendung

Vorbereitung
In einem kurzen Vorgespräch wurde gemeinsam der Umfang des Workshops definiert. Bewusst ist der Fokus auf die Angebotsseite gefallen, da sie viele Elemente beinhaltet, die auch auf anderen Seiten zu finden sind.

Und los geht das Schnippeln 
Im Workshop lag schon alles bereit: Eine Schere, zwei Exemplare der Ausdrucke, Stifte, Post-Its und Magnete. Die Teilnehmerin erhielt eine kurze Einführung mit einer Erklärung des Workshop-Ablaufs, ausserdem wurden ihr bereits einige Tipps mit auf den Weg gegeben. Der wichtigste: «Es gibt kein Richtig und Falsch, mach einfach, was sich für dich richtig anfühlt.»
Nach einer kurzen Bedenkzeit machte sie auch schon den ersten Schnitt. Die Teilnehmerin entschied sich dazu, ganz radikal jedes einzelne Element vom Rest zu trennen. Jede Linie und jede Illustration wurden einzeln ausgeschnitten. Sie war im Intro gebeten worden, alle Schritte zu kommentieren und ihre Gedanken laut auszusprechen. Nach etwas Auftauungszeit funktionierte das auch mit jedem Schnitt besser.

War ich blind?!
Bereits während dem Schneiden sind wichtige Erkenntnisse gewonnen worden, die von der Facilitatorin notiert wurden. Wichtig für die Rolle der Facilitatorin war, dass sie nicht beeinflusst, sondern lediglich Inputs und Fragestellungen anbietet, wenn überhaupt nötig. Durch das Stellen gezielter Fragen konnten nach und nach die Pain Points der Teilnehmerin eruiert und notiert werden.

Achtung, fertig, puzzlen
Aus dem Haufen Papierschnipseln und Post-It’s wurden die Elemente ausgesucht und weggeschmissen, die auf keinen Fall weiterhin einen Platz auf der Website haben sollten. Ergänzende Elemente wurden grob illustriert und ergänzt.
Mit Magneten wurden die Elemente angeordnet und besprochen. Jegliche Begründungen, «Aber» und Kommentare wurden von der Facilitatorin notiert und ergänzt. Am Ende hing ein buntes Mischmasch an eher konkreten und eher abstrakten Ideen an der Wand und ein erster Entwurf des Anforderungskatalogs war entstanden.

Ergebnisse & Reflexion

In einer 1:1 Situation hat «Scissor Thinking» ziemlich gut funktioniert, da die Teilnehmerin all ihre Gedanken ungeniert teilen konnte. Das war am Anfang eher noch zögerlich, hat sich dann aber sehr schnell von einem kleinen Schneeball zu einer ganzen Lawine entwickelt. Bei grösseren Gruppen sollte darum eher aufgepasst werden, dass alle Stimmen gehört werden.

Die Chance, dass man sich während des Prozess in Details verrennt, ist relativ gross. «Scissor Thinking» ist aber nicht dafür gedacht, ausführliche Designkonzepte zu erarbeiten. Die Person, die als Facilitator*in agiert, muss es also schaffen, die Teilnehmenden sanft, aber bestimmt wieder auf den Boden der Tatsachen zu führen.

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