An der Hierarchie vorbei - von der Idee zur Umsetzung in der Dolder Hotel AG

«Change Agent» um die Hierarchie auszuhebeln, eine Diskussion zum Warum zu fördern und damit das Know-why zu verbessern.

Von Mark Jacob (2021)

Die Inklusion aller beteiligten Mitarbeitenden bei Entwicklungs- und Veränderungsschritten der Unternehmung stellt für mich einen immer wichtigeren Faktor dar, um Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden aufzubauen. Hinzu kommt, dass die Organisation aus den durch die Inklusion entstehenden Dialogen vielseitig profitieren kann.

Die vorliegende Methode gestaltet das Einbringen neuer Ideen für die Weiterentwicklung durch Mitarbeitende jeglicher Stufe möglichst niederschwellig und einfach, Ideengebende erhalten auf transparentem Weg ein direktes Feedback von Entscheidungstragenden sowie bei Weiterverfolgung der Idee die nötigen Kompetenzen und Ressourcen.

Jede neu eingebrachte Idee wird mittels einer Ideenkarte am «Ideen-Anschlagbrett» für alle Mitarbeitenden sichtbar gemacht. Das «Ideen-Anschlagbrett» stellt einen Partizipations-Anker dar, der allen Mitarbeitenden die Gelegenheit eröffnet sich über ein Voting oder durch Anbringen von Inputs für den Veränderungsschritt einzubringen. Die vorgebrachten Argumente müssen von Ideengebenden und den Entscheidungstragenden evaluiert und in die Weiterentwicklung des Vorschlages integriert werden. Die getroffenen Grundlagen für die Entscheidungsfindung werden wiederum in die Ideenkarte integriert und öffentlich publiziert, womit die Transparenz und das Know-why in der Unternehmung gefördert werden. 

Auf jeden Fall führt jede eingegebene Idee zu einem Gespräch mit der Geschäftsleitung und somit zu mehr Transparenz und Vertrauen untereinander.

Wie kann ich in einem diversen und hierarchisch strukturierten Team von 500 Mitarbeitenden durch Förderung von Autonomie die Realisierung von neuen Ideen verbessern, dadurch die Motivation der Mitarbeitenden hochhalten sowie daraus entstehende Chancen des direkten Austauschs für ein verbessertes Know-why aller Beteiligten nutzen.

Ausgangslage

Die Dolder Hotel AG ist ein grösseres KMU mit 500 Mitarbeitenden und einer noch relativ eindeutig hierarchischen Struktur. Die Bereitschaft die typischen Silos und Hierachiestufen abzubauen zeigt sich seit einiger Zeit und findet bereits erste Umsetzungen. Die Wichtigkeit des Wir-Gedankens im VUCA Umfeld hat sich durch Covid-19 akzentuiert. Mit der Methode wurde ein «Change Agent» gesucht, um die Hierarchie auszuhebeln, eine Diskussion zum Warum zu fördern und damit das gegenseitige Know-why zu verbessern. Da ich persönlich die Dolder Hotel AG verlasse, ist die Methode auch als Vermächtnis anzusehen, dass ich der internen Kultur schenken möchte. Die Geschäftsleitung, die Entscheidungstragenden sowie Mitarbeitende auf verschiedenen Stufen wurden zur Entwicklung der Methode involviert. Die Verankerung des Mehrwerts der Methode bei meiner Nachfolge in der Geschäftsleitung sowie die Integration der Methodik im Qualitätsmanagement-System der Dolder Hotel AG stellten grundlegende Errungenschaften im Entstehungsprozess der Methode dar.

Vorgehen & Methodenanwendung

Einreichen der Idee
Jede*r Mitarbeitende kann eine neue Idee oder einen Vorschlag mittels einer Ideenkarte anonym einreichen. Anonym ist wichtig, da anschliessend die Idee und nicht dessen*deren Verfasser*in bewertet werden sollen. Die Ideenkarte präsentiert sich in der Anwendung sehr niederschwellig und gibt die erforderlichen Informationen zur Idee vor. Die ganze Methode funktioniert sowohl digital wie auch in der analogen Welt. Für eine höhere Inklusion und Visibilität ist das analoge «Ideen Board» bei der Mensa entscheidend – dieses Board wird zeitgemäss digital im Intranet gespiegelt.
Ideas Board und Ideas Card

Inputs und Konsent zur Idee
Jede Idee wird für alle Mitarbeitenden sichtbar visualisiert, womit sich allen die Möglichkeit eröffnet die Idee zu bewerten, zu ergänzen oder Einwände anzubringen. Dieser Schritt erfolgt nicht mehr anonym. Die ursprüngliche Idee wird zusammen mit den eingegangenen Inputs ein erstes Mal im Kreis der Entscheidungstragenden besprochen.
Input Board

Dialog
Die ideengebende Person trifft sich zu einer ersten Diskussion mit den Entscheidungstragenden. In diesem Dialog geht es darum, das gegenseitige «Wissen warum» der Ideengebenden und der Entscheidungstragenden zu entwickeln und den Fokus auf das Dialogische auf Augenhöhe zu richten. Weiter geht es darum zu besprechen wie die Inputs integriert werden können und wie weiter verfahren wird. Verständnisförderung und Befähigung sind entscheidend.

Integration der Inputs und Entscheidung
Zusammen mit den Entscheidungtragenden werden der Ideengebenden die nötigen Kompetenzen vermittelt, um die Idee weiter zu entwickeln. Die Inputs werden sofern möglich in die ursprüngliche Idee integriert. Die Idee wird soweit bearbeitet, dass im Kreis der Entscheidungstragenden sowohl eine Entscheidung über die Weiterverfolgung, wie auch über die nötigen Ressourcen und Unterstützungsmassnahmen gefunden werden kann.
Activate Board

Befähigung für die Realisierung
Die Ideengebenden sollten sich verpflichten massgeblich zur Realisierung der Idee beizutragen. Um die Autonomie in der Ideenrealisierung möglichst hochzuhalten, werden die nötigen Kompetenzen und Ressourcen besprochen. Ressourcen können verfügbare Zeit, Fach-Know-how, Entscheidungsautonomie oder auch finanzielle Mittel sein. In diesem Schritt erhalten Ideengebende Unterstützung, um ihre persönlichen Ideen im Team zu integrieren und in der Organisation zu implementieren.

Anerkennung
Der Fortschritt einer Idee bis zur Implementierung wird weiterhin am «Ideen Board» dargestellt. Für die Ideengebenden wirkt es motivierend, wenn sie den Fortschritt ihres ursprünglichen Inputs verfolgen können.
Realize Board

Ergebnisse & Reflexion

Eine wesentliche Errungenschaft der Methode ist es, die Entscheidungstragenden zu einem direkten und öffentlichen Dialog zu bewegen, betreffend aller von den Mitarbeitenden eingehenden Ideen. Kritisch und entscheidend war vor allem die kulturelle Akzeptanz der Geschäftsleitung für diesen Schritt in die Transparenz, womit ein wichtiger Beitrag zur Vertrauensförderung und zum Wir-Gefühl geleistet ist.

Entscheidende Komponenten der Methode stammen aus dem Gaming (Autonomie, Kompetenz und soziale Anerkennung) sowie aus dem Konsent in Scrum (es spricht nichts Wesentliches dagegen). Auf diesen Bausteinen kann sich die Methode entsprechend der Rahmenbedingungen entfalten. Die Form der Methode ist dabei eher zweitrangig zu betrachten. Der wesentliche Beitrag ist die Veränderung zu einer transparenten Dialog-Kultur als entscheidende Grundlage für das Weiterbestehen in einem komplexen VUCA-Umfeld.

Die Methode entwickelt ihre Wirkung in einem eher traditionell hierarchisch strukturierten Umfeld. Wichtig erscheint, dass der Anteil der umgesetzten Ideen mindestens 50% erreicht, damit die Methode motivierend wirkt und die Erwartungen der Teilnehmenden erfüllt. Im Anwendungsfall lag der Umsetzungsquotient bei 60%.

Ideen Anschlagbrett Ansicht 1
Ideen Anschlagbrett Ansicht 1
Ideen Anschlagbrett Ansicht 2 - Galerie zur Mensa
Ideen Anschlagbrett Ansicht 2 - Galerie zur Mensa
Ideen Anschlagbrett Ansicht 3 - Sicht aus Mensa
Ideen Anschlagbrett Ansicht 3 - Sicht aus Mensa
Ideen Anschlagbrett Ansicht 4 - Näher betrachtet
Ideen Anschlagbrett Ansicht 4 - Näher betrachtet
Ideen Anschlagbrett Ansicht 5 - Das Input Board
Ideen Anschlagbrett Ansicht 5 - Das Input Board
Ideen Anschlagbrett Ansicht 6 - Das Activate Board
Ideen Anschlagbrett Ansicht 6 - Das Activate Board
Ideen Anschlagbrett Ansicht 7 - Das Realize Board
Ideen Anschlagbrett Ansicht 7 - Das Realize Board
Making of - Fast fertig
Making of - Fast fertig
Making of - Logo Schablone
Making of - Logo Schablone
Making of - Grundierung
Making of - Grundierung
Making of - Erst mal das alte Zeug weg
Making of - Erst mal das alte Zeug weg