Probleme löst man am besten, indem man darüber spricht. Manche Themen sind so brisant und bergen immenses Konfliktpotential, dass einer fachlichen und zielführenden Konfrontation aus dem Weg gegangen wird. Dieses Verhalten führt zu Kommunikationsproblemen unter Teammitgliedern, hohem Level an Frustration, Performance-Einbussen und irreparablen Vertrauensbrüchen.
Wie kann das Team angstfrei Probleme benennen und diese gemeinsam lösen?
Das Projekt-Kickoff verlief hervorragend. Es wurde üppig budgetiert, Ziele und wichtige Milestones definiert, Rollen und Verantwortlichkeiten geklärt, die Timeline realitätsnah geschätzt und das Team, bestehend aus 9 Mitgliedern, startete hochmotiviert in das neue Projekt.
Freundlicher Umgang miteinander und produktiver Austausch von Ideen prägten die ersten Projekt-Sprints. Fehler wurden als Learnings angesehen und jede*r fühlte sich selbstbewusst genug, etwaige Probleme direkt und offen anzusprechen.
Irgendwann kippte die Stimmung. Im Nachhinein konnte es keiner so ganz genau verstehen, was der Auslöser dafür war. Aber es begann damit, dass sich eigenartige Team-Dynamiken etablierten: ungünstige Gruppenbildungen formierten sich, einzelne Teammitglieder wurden ausgegrenzt und fatales Totschweigen von Problemen im Team waren die Folge.
Vieles blieb unausgesprochen. Kleine Probleme wuchsen zu ganz Grossen heran und das Projekt drohte zu scheitern. Romina, Produkt Managerin und Meeting-Facilitator, musste handeln, ehe ihr Projekt zu Grabe getragen wurde. Eskalation an höhere Instanzen würde bedeuten, dass das selbstorganisierte Team eingestehen müsste, versagt zu haben. Und genau das wollte sie vermeiden.
Nach eingehender Recherche zu Nutzerzentrierten Methoden, entschied sich Romina, der Methode «Devil’s Board & Angel’s List» eine Chance zu geben und diese im Team anzuwenden. Romina reservierte einen Meetingraum im Voraus, verschickte eine Einladungsanfrage an alle Teammitglieder mit dem einfachen Betreff: «Liebes Team. Etwas läuft falsch. Lasst uns die Probleme ansprechen und als Team darauf Lösungen finden.»
Weiter im Text appellierte Romina an die Stärke und Kraft eines selbstorganisierten Teams und beauftragte alle, sich bis zum Workshop intensiv darauf vorzubereiten und alle Probleme zu verschriftlichen und anonym in den Schuhkarton auf ihrem Arbeitsplatz einzureichen.
Das Team hatte fünf Arbeitstage Zeit, um sich individuell vorzubereiten. In den ersten zwei Tagen passierte nichts. Am dritten Tag, nachdem der Senior Backend Entwickler sehr lautstark seine vier Problemkarten in den Schuhkarton steckte, explodierten die Zugänge. Am Tag vor dem Workshop musste Romina sogar einen zweiten Schuhkarton aufstellen, um allen Beiträgen die Anonymität zu gewährleisten.
«Devil’s Board»
Das Team kam zusammen. Nach einer kurzen Einführung durch Romina wurde der erste Beitrag aus dem Schuhkarton gezogen und laut vorgelesen.
Das erste Problem hatte Meetings zum Thema, die ohne Agenda aufgesetzt werden. Diese wurden als lästige und unnötige Zeitverschwendung für alle Teilnehmer angesehen.
Romina machte weiter und zog eine Karte nach der nächsten, las diese jeweils laut vor und befestigte diese auf dem «Devil’s Board».
Durch die grosse Anzahl der Beiträge hat es etwas mehr als 45 Minuten gebraucht, um alle Karten durchzugehen. Beim näheren Hinsehen stellte man fest, dass viele Probleme sich um die gleichen Themen kreisten. Das Team traf die Entscheidung, die Problem-Karten zu Clustern. Nach einer kurzen Rückfrage im Team, entschied man sich für eine kurze Pause.
Nach der Pause hatte sich sichtlich etwas verändert:
Die Stimmung wurde lockerer und von der anfänglichen Anspannung war nichts mehr zu spüren.
«Angel’s List»
Ein Cluster drehte sich tatsächlich um das Thema der Meetings ohne Agenda.
Romina begann die Diskussion mit der Frage: «Wie können wir das fixen?», stellte den Countdown auf drei Minuten und die Diskussion war eröffnet. Das Team war sich schnell einig: Alle Meetings, egal wie gross oder klein, müssen sich um eine Agenda mit einer klaren Zielvorgabe drehen! Alle involvierten Teilnehmer müssen mit ihren Zuständigkeiten und möglichen Beiträgen genannt werden. Markus, ein Junior Business Developer, erklärte sich sogar bereit ein Email-Template zu erstellen.
Die Lösungen wurden zusammengefasst und zusammen mit der Problemkarte auf die «Angels’s List» platziert.
«Ein Problem weniger! Lasst uns direkt genauso weiter machen» sagte Romina lächelnd und sichtlich erleichtert, eher sie die nächste Problemkarte vom Devil's Board zog.
Konsens
Nach eine halben Stunde fanden alle Probleme ihren Weg auf die Angel’s List. Lediglich zwei Problemkarten landeten auf der Konsens-Liste. Es waren Probleme, die das Team nicht von sich aus lösen konnte und der Konsens sah es vor, diese Probleme an die Geschäftsleitung zu eskalieren.
Das Team war begeistert, da viele Dinge angstfrei und offen angesprochen und die Lösungen im Team zusammen erarbeitet wurden.
Es wurde der Wunsch geäussert, die Angel's List sichtbar in der Küche anzubringen um sich stets vor Augen zu führen, welche Probleme mit welchen Lösungen gefixt wurden.
Erwähnenswerte Kommentare, die im Verlauf des Workshops gefallen waren:
- «Wow, ich weiss gar nicht mehr, warum ich Angst hatte meine Probleme anzusprechen.»
- «Interessant, wie schnell wir doch Lösungen gefunden haben, und das als Team.»
- «Ich habe gerade eine ähnlich angespannte Situation in unserer grossen Familie. Für das nächste Familientreffen werde ich diese Methode mit dem Teufel und Engel auch so durchspielen.»
- «Faszinierend finde ich die Leichtigkeit mit der wir das Ganze angegangen sind. Ob das an der Methode Devil’s Board & Angel’s List liegt?»